Nachhaltige Entwicklung im volkswirtschaftlichen Unterricht
Nachhaltige Entwicklungim volkswirtschaftlichen Unterricht

Modelle des Wirtschaftskreislaufs

Ökonomische Dimension:
 

Der obige WK ist ein klassisches Einstiegsmodell in die VWL. Mit ihm lässt sich der Modellcharakter dieser Sozialwissenschaft gut verständlich illustrieren. Den Lernenden wird schnell klar, dass die Realität an Hand von Vereinfachungen oft besser erfasst werden kann, dass die Wirtschaft komplexer als der Einfache WK ist, in dem nur von Unternehmen und Haushalten gesprochen wird. Verdeutlicht wird, dass es sich um zwei gegenläufige Ströme handelt, den Leistungsstrom (Güter bzw. Produktionsfaktoren) sowie den Geldstrom (Güterpreise, Entgelte für die Überlassung von Produktionsfaktoren, d.h. z.B. Löhne, Zinsen, Pachten, Rohstoffpreise, Nutzungsentgelte für Informationen, Patente – das Modell erfordert die Kenntnis der volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren, wobei in der hier vertretenen moderneren Konzeption die neueren Betrachtungen zu Produktionsfaktoren mit berücksichtigt werden sollten).

Das Modell des Einfachen WK lässt sich auf zwei Arten auffassen: Entweder als Modell einer Nationalökonomie, wie es in den meisten VWL-Lehrbüchern zu finden ist. Von der Existenz von Ausland und Staat wird abstrahiert – nachvollziehbar als Ausgangspunkt in früheren Zeiten, in denen die Ökonomien der einzelnen Nationalstaaten noch nicht so vernetzt waren.

Oder, und hier bietet das Modell neue Chancen, es könnte als Modell einer Weltwirtschaft aufgefasst werden, in der alle Unternehmen und Haushalte weltweit zusammenhängen. Internationale Interdependenzen des Zeitalters der Globalisierung lassen sich so besser abbilden. In diesem Fall wird beim Übergang zum Modell des um das Ausland erweiterten WK der Unternehmens- und Haushaltsbereich in In- und Ausland aufgespalten.

 

Fußnote: An dieser Stelle könnte die folgende Warnung in der Fußnote erscheinen, doch besteht Gefahr, dass ihre Aussage somit überlesen wird. Das Modell des Wirtschaftskreislaufs ist lediglich eine Darstellung einer quasi vorindustriellen Tauschwirtschaft! Zwar gibt es eine Währung, die die ökonomischen Tauschbeziehungen vereinfacht, aber diese hat lediglich die Eigenschaften einer Warenwährung, nicht jene einer modernen Geldwirtschaft. Demzufolge eignet sich das Modell explizit nicht zur Erklärung von Wirtschaftswachstum, Finanzkapitalismus und Schuldenkrisen.

Hier könnte man einwenden, nicht jedes Modell muss jedes realwirtschaftliche Phänomen erklären. Das Problem liegt jedoch in der Tatsache, dass fast alle relevanten mikroökonomischen Marktmodelle sowie mikroökonomisch-fundierten Makromodelle nicht über die Annahme eines simplen Wirtschaftskreislaufs hinausgehen. Sie bestreiten insbesondere realwirtschaftliche Makro-Effekte der Geld- und Schuldenwirtschaft und Marktungleichgewichte im Zeitablauf.

Insbesondere sollte bei derdetaillierten Darstellung des sogenannten “Erweiterten Wirtschaftskreislaufs mit Sparen und Investitieren” beachtet werden, dass der hier in fast allen herkömmlichen VWL-Lehrbüchern hergestellte robinsoneske Zusammenhang von Sparen und Investieren im modernen Finanzmarktkapitalismus kaum noch relevant ist. Investitionen werden erfordern heute nicht durch Umverteilung von Ersparnissen der Haushalte zu den Unternehmen, sondern erwachsen hauptsächlich durch die Geld- und Kreditschöpfungsfunktion der Geschäftsbanken. Im Denken der Modern Monetary Theory (MMT) stellt sogar die Zentralbank im Verbund mit der Politik die eigentliche Geldquelle dar, deren praktische Auswirkungen in Wahrheit größer sind, als in der (monetaristischen) Lehrbuchtheorie vorstellbar.

Es bleibt fraglich, ob die Lernenden bereits am Beginn ihrer ökonomischen Grundbildung mit solchermaßen kritischen Argumenten konfrontiert werden sollten. Andererseits erscheint es wichtig, dass sich zumindest die Lehrenden der Grenzen der Aussagefähigkeit von Modellen bewusst sind. Im Übrigen kommt es nicht selten vor, dass gewitzte Schüler gewisse Schwächen von Modellen offenlegen. Spätestens jetzt sollte der Lehrende Grundsatz- und Manöverkritik zulassen: Was motiviert eine Schülerin mehr als das Lob, sie habe scharfsinnig einen wunden Punkt der ökonomischen Theorie aufgedeckt?

Ein Modell, das über die Kreditschöpfungsmacht der Banken sowohl Schuldenwirtschaft als auch Wirtschaftswachstum erklärt, erläutert Steve Keen im Kapitel “A Monetary Model of Capitalism” aus seinem Buch “Debunking Economics (Revised and Expanded Edition)”. Es wäre aber zur Einführung in die ökonomische Theorie eher ungeeignet, daher sollte weiter mit Modellen des Wirtschaftskreislaufs operiert werden - vorbehaltlich der angeführten Einschränkungen.

 

Soziale Dimension:

An dieser Stelle sollte die Frage der Einkommenserzielung angerissen werden. Erfahrungsgemäß denken die Lernenden dabei oft lediglich an Lohnarbeit als einziger Möglichkeit des Geldeinkommens. Gerade in Zeiten der Steigerung von Kapitaleinkommen gegenüber Einkommen aus unselbstständiger Arbeit (die später in Rahmen der VGR zur Sprache kommt) sollte die Einkommenserzielung aus Vermögen als soziale Dimension des WK klar hervorgehoben werden.
Ein wichtiges Lernziel des WK ist, dass Kosten der Unternehmen zu Einkommen der Haushalte werden. Insofern bedeutet Kostenersparnis im Unternehmen auch immer zunächst einmal Einkommensrückgang der Haushalte als Primäreffekt. Durch die Allokationsfunktion effizienter Märkte bleibt in der Markttheorie jedoch die Hoffnung auf neue Einkommenserzielung in anderen Verwendungsarten der Produktionsfaktoren.

 

Ökologische Dimension: „Kein Garten, keine Müllkippe“

So sinnvoll der WK als Ausgangsmodell im VWL-Unterricht auch weiterhin ist, aus ökologischer Sicht muss eine Fundamentalkritik geäußert werden: Im real existierenden Kapitalismus handelte es sich in den vergangenen 200 Jahren nicht um einen Kreislauf im Sinne einer Kreislaufwirtschaft, sondern um die eine lineare Wirtschaft. Das einzige was im “Kreis” läuft, ist das Geld, das im Geldstrom zwischen den volkswirtschaftlichen Sektoren Unternehmen, Haushalte, Banken, Staat und Ausland kursiert. Was hingegen den Leistungsstrom betrifft, so kann mitnichten von einem Kreislauf ausgegangen werden. In der Tat werden im Unternehmenssektor aus den eingekauften Produktionsfaktoren Güter hergestellt. Von dabei anfallenden Abfällen wird jedoch abstrahiert. Noch wirklichkeitsfremder wird im Modell unterstellt, dass aus den im Unternehmenssektor produzierten Gütern im Haushaltssektor rückstandslos neue Produktionsfaktoren erstellt werden. Das mag angehen für Kapitalgüter, die von den Haushalten gekauft werden und hernach den Unternehmen (mit oder ohne Bankensystem) gegen Zins zur weiteren Produktionserstellung überlassen werden. Auch mag argumentiert werden, dass die biologischen Lebenssysteme des Menschen aus den gekauften Nahrungsmitteln neue Arbeitsenergie erstellen können. Die Primärausstattung an Rohstoffen, Anbau-, Abbau- und Standortboden, die in der Realität von der Natur bereitgestellt werden, fällt jedoch quasi vom Himmel.

Einfacher WK: Prämissen und Erkenntnisse (unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit)
Tafelbild.
Einfacher WK+Erkenntnisse+Praemissen.pdf
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Ressourcen- und Abfallfragen werden im WK komplett ausgeblendet. Die Abstraktion von natürlichen, ökologischen Bedingungen des Wirtschaftens ist hier ein wiederkehrendes Problem der klassischen VWL. Einem heimlichen Lehrplan gleich wird dem Lernenden die Bedingtheit unseres Wohlstandes von intakten natürlichen Ökosystemen vorenthalten. Die “Wirtschaft” wird als autarkes, von der Natur getrenntes System erlebt. Besondere Bedeutung erlangt das Modell des "Wirtschaftskreislaufs" dadurch, dass es die theoretische Grundlage der empirischen Zahlenerhebungen in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung darstellt. Die ökologischen Mängel der VGR lassen sich theoretisch durch die Vernachlässigung von Ressourcenherkunft und Emissionen in modellierten Wirtschaftskreisläufen belegen.



Der Ökologische (Wirtschafts-)Kreislauf

Um die Einbettung des Wirtschaftssystems ins globale Ökosystem zu verdeutlichen, bietet sich die obige Grafik an. Die Verbindung ins Weltall besteht nur in Hinblick auf Energie, welche von der Sonne auf die Erde gelangt. Alle anderen Ressourcen stammen aus den sogenannten Quellen (Mineralien, Nahrungsmittel, Energie), wobei die natürliche Vegetation ihrerseits von der Zufuhr an Sonnenenergie abhängt, ebenso wie alle regenerativen Energieträger. Das Wirtschaftssystem lässt sich dann durchaus als herkömmlicher WK denken. Aus dem Wirtschaftssystem entweichen lediglich die Abfälle, die in die sogenannten Senken abgegeben werden. Abfälle jedoch gelangen mitunter über biologische Kreisläufe wieder in die Ressourcenquellen, welche auf diese Art verunreinigt werden. Das globale Ökosystem verlassen kann nur Energie in Form von Abwärme, welche ans Weltall abgestrahlt wird.

Eine eigene Erkenntnisleistung der Lernenden besteht in der Erkenntnis der Identität von Quellen und Senken, dass die Natur von ökologischen Kreisläufen durchzogen ist, so dass Abfälle nicht notwendigerweise in den Senken verbleiben, sondern die Quellen unserers Wirtschafts- und Lebenssystems verunreinigen.

Ökologischer (Wirtschafts-)Kreislauf

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Ein kurioses Alternativmodell zu herkömmlichen Darstellungen des Wirtschaftskreislaufs: “Robinson Hanks”

 

Die Unternehmen entnehmen der Natur Ressourcen und fertigen daraus Produkte (Hände). Der Markt (Mund) entscheidet, ob das Produkt gekauft (geschluckt) wird oder nicht. Die Haushalte (Magen) wandeln die marktfähigen Produkte in Energie um, so dass die Unternehmen des Wirtschaftssystems (Organismus, also auch die Hände) mit dem Produktionsfaktor Arbeit versorgt werden. Die Verteilung/Allokation der Produktionsfaktoren geschieht mit Hilfe des Geldsystems (Blutkreislauf), welcher – im Gegensatz zum physischen Kreislauf – ein echter Kreislauf ist. Die Zentralbank und das mit ihr verbundene Bankensystem (Herz) pumpen das Geld (Blut) ins Wirtschaftssystem. Die nicht verwertbaren Bestandteile (Abfälle, Abwärme) verlassen das Wirtschaftssystem mittels Entsorgungssystem (Ausscheidungsorgane) und werden zurück in die natürliche Umwelt gegeben (wo sie ggf. die natürlichen Ressourcen verunreinigen). Organisiert und durchdacht wird das ganze vom Staat (Hirn), welcher das Wirtschaftssystem bewusst und unbewusst steuert, seinerseits aber auch nur durch die Energiezufuhr von Haushalten (Steuern) aufrecht erhalten werden kann. Selbstverständlich lässt sich das Modell erweitern um das Ausland (weitere Robinsons), welche als Handelspartner auftreten können.

                             

Upcycling und Second-Hand im Wirtschaftskreislauf

Da in herkömmlichen Modellen des Wirtschaftskreislaufs lediglich der Weg von der Herstellung eines Gutes bis zu seiner (Erst-)Nutzung abgebildet wird, eignet sich die folgende Grafik der Stiftung Warentest (1) sehr schön zur Ergänzung der Modelle. Zu beachten ist allerdings, dass beim Übergang vom Modell des Wirtschaftskreislaufs in die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auch weiterhin der physische Aspekt des Wirtschaftens unter den Tisch fällt und auch Upcycling und Second-Hand lediglich als monetäre Ströme erfasst werden. 

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(1) Quelle: http://www.alttrifftneu.de/stiftung-warentest-upcycling/

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