Mai 2021
Die Spaltung der Gesellschaft nimmt kritische Maße an. Aber nicht weil unterschiedliche Positionen per se schlimm sind, sondern weil die Fähigkeit und Bereitschaft zur einander wertschätzenden Diskussion abhanden kommt.
Wenn nun behauptet wird, dass „Netz Propaganda“ gegen Klima- und Umweltthemen aus der „untersten Schublade“ kommt, muss ich widersprechen. Ich verorte mich derzeit (als einiger der ganz wenigen, wie ich leidvoll feststellen muss) sowohl in der Ökologiebewegung als auch in der coronamaßnahmen-kritischen Bewegung. Ich stelle auch fest, dass auf beiden Seiten der Hang zur Ausgrenzung und Dämonisierung der Gegenseite zunimmt.
Nun maße ich mir an zu behaupten, dass die Ursache dafür insbesondere auf der Seite von Grünen, Umwelt- und Klimaengagierten zu suchen ist. Denn die meisten Klimaaktiven kommen aus eher privilegierten und finanziell abgesicherten Schichten und sollten über genügend intellektuelle Unabhängigkeit und kritisches Bewusstsein verfügen, um regierungspolitische und mediale Stellungnahmen auf ihre Faktenbasis zu untersuchen. Und aus meiner Sicht kann kein vernünftiger Mensch – wenn er oder sie sich intensiver mit „Inzidenzen“, Statistiken zu Intensivbetten und industriellen Interessenskonvergenzen um den „Great Reset“ befasst - den Umgang bzw. das Management der Regierung(en) in Sachen Corona nachvollziehen - es sei denn, man fängt an in Kategorien von „Verschwörungen“ oder gar einer „Plandemie“ zu denken.
Obwohl die Wissenschafts- und Sachorientierung in der Klima- und Umweltbewegung ganz oben steht, hat sie sich sehr früh entschieden, in einer Art Nibelungentreue dem Regierungs-Narrativ zu Corona-Pandemie praktisch kritiklos zu folgen. Das Klimamotto „Listen to the Science“ wurde in – meiner Ansicht nach – vorschneller Weise auf die medial verbreitete Darstellung von Corona ausgeweitet. Ich bin in zahlreichen maßnahmenkritischen Netzwerken und stelle fest, dass das Gros der selbsternannten und als solche etikettierten „Querdenker“ keine tumben Rechten sind, sondern – das brachte dieser Tage sogar der Tagesspiegel – primär Intellektuelle, individualisch orientierte Bildungsbürgerliche, für die Propaganda einer moralin-ideologischen Diktatur sensible ex-DDR-Bürger*innen sowie klassische Ökofundis, spirituelle Menschen und Basisdemokraten (die schon lange von den Grünen abgeschrieben wurden). Sie haben vor allem eines gemeinsam: Misstrauen ggü. den polit-ökonomischen „Machteliten“ - und eine bei Weitem größere Detailkenntnis zu Corona als der journalistsche Mainstream, der erst Monate nach den „Verschwörungstheoretikern“ darauf kommt, dass mit zentralen Bausteinen des Narrativs (PCR, Maskenpflicht, Schulschließungen, Lockdowns, Impfkampagne) etwas nicht stimmt.
Nach fast 30 Jahren Engagement für Nachhaltigkeit und BNE ist es für mich schlichtweg schizophren, wenn die Umwelt- und Klimabewegung den politisch Handelnden ausschließlich wissenschaftsbasierte und gemeinwohl- (sprich: gesundheits-)orientierte Entscheidungen zutraut, obwohl die gleichen Entscheidungsträger*innen seit Jahren in Sachen Klima und Nachhaltigkeit im Zweifel grundsätzlich auf Konzerninteressern hören.
Die Spaltung der Gesellschaft entsteht, weil es sich zu viele Akteure zu leicht machen und einem Weltbild von Gut-Böse folgen. „Wir sind die Guten – die Bösen müssen bekämpft werden.“ Und jene, die sich nicht genügend von den eigenen Feindbildern abgrenzen. Das gilt zunehmend für beide Seiten. Kritiker*innen von pauschalen Freiheitseinschränkungen im Zusammenhang mit SARS-Cov2 schießen sich derzeit auch auf Bündnis90/Die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Anna-Lena Baerbock ein (die in Ihren Augen als Protegée des Weltwirtschaftsforums, dem vermeintlichen Drahtzieher des Great Reset, und von diesem als neue Bundeskanzlerin auserkoren gilt). Die aus der Sicht der Klimabewegung „Bösen“ sind dagegen maßnahmenkritische „Rechte“, hinter denen sich bei genauerer Betrachtung meist bodenständige Arbeiter und Angestellte verbergen, die in Kurzarbeit sind, sowie erboste Eltern, die monieren, dass Kinder und Jugendliche keine vernünftige Bildung mehr erhalten, Einzelhändler, Mittelständler*innen und Kulturschaffende, die durch die durch die Lockdowns (auf wissenschaftlich mehr als fragwürgiger Basis) in den Ruin getrieben werden, während sich multinationale Konzerne der globalen Digitalökonomie die Hände reiben.
Was Klima- und Umweltbewegung in den letzten Monaten verpasst haben, ist, dass in der Coronapolitik vergessenen Personenkreise für eine sozial-ökologische Transformation gewonnen werden konnten, indem ihre berechtigte Perspektive eine politisch-mediale Würdigung erfahren hätte. Ob wir den Weg in die Zukunft als „Great Reset“ oder „Transformation“ bezeichnen, er wird so oder so Opfer verlangen. Durch den unempathischen und ausgrenzenden Umgang der „Linken“ ggü. den persönlich ins Mark Getroffenen der Corona-Politik sind für eine solidarische und gerechte Klimapolitik Türen zugeschlagen worden.
Keine Frage, Corona kann in bestimmten Fällen schwerwiegende und lebensbedrohliche Folgen haben. Zu klären wäre insbesondere der Ursprung des Virus, damit solche Geschehnisse sich nicht - wie ein William H. Gates II. orakelt - nun zum alltäglichen Leben der Gesellschaften gehören werden. Die Diskussion darüber, was zum Schutz von vulnerablen Personenkreisen (durch den Virus oder die Kollateralschäden einer grobschlächtigen, inkompetenten oder vermeintlich extern gesteuerten Regierungspolitik) wirklich zu tun wäre, hat die sozial-ökologische Linke jedenfalls bisher nicht konstruktiv angenommen.
(Dieser Text richtet sich an primär gemeinwohlorientierte und klimabewegte Menschen. Ein Text an die Querdenker-Bewegung, die in großen Teilen einfach nur zur konsumunkritischen „alten Normalität“, aber auch materialistischen Sicherheit zurück will, würde sich sicher anders anhören.)