Nachhaltige Entwicklung im volkswirtschaftlichen Unterricht
Nachhaltige Entwicklungim volkswirtschaftlichen Unterricht

Produktionsfaktoren

Ökonomische Dimension:
 

Die klassische Aufteilung in die PF Arbeit, Boden und Kapital ist seit den Zeiten Adam Smiths bekannt. Hier wird verdeutlicht, dass ein marktgängiges Produkt immer durch Zusammenwirken verschiedenster Inputfaktoren entsteht. Die Aufteilung bildet auch die Grundlage der mikroökonomischen Produktionstheorie sowie für die makroökonomischen Betrachtungen zu Arbeits-, Güter- und Kapitalmärkten, mit der sich die ökonomische Theorie im Weiteren beschäftigt.

Die Tatsache, dass diese Aufteilung bereits seit 200 Jahren mehr oder weniger unverändert gelehrt wird, legt den Verdacht nahe, dass angesichts der umwälzenden ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklungen seither gewisse Anpassungen nötig sind.

Während die Physiokraten des 18. Jahrhunderts als bedeutendste Quelle der Wertschöpfung den Boden ausmachten, Marx und seine Anhänger später die Arbeit als allein wertschöpfenden PF postulierten (deren Früchte in Form von “Mehrwert” sich die Unternehmer aneigneten), galt im 20. Jahrhundert der PF Kapital als Grundlage unseres historisch einmaligen Wohlstands. Nicht umsonst wird als treibende Kraft des Wirtschaftswachstums die Bildung von Kapital durch Sparen und Investieren angesehen – Hauptargument für die Wirtschaftspolitik vor allem Investitionsbereitschaft der Marktteilnehmer durch Steuervergünstigungen, Abschreibungsmöglichkeiten und Subventionspraxis zu steigern.

In den vergangenen Jahren kam es zu einer Rückbesinnung auf die Rolle des PF Arbeit – oder, im modernen Fachjargon, Humankapitals. (“Humankapital” wurde 2004 zum “Unwort” des Jahres gewählt; Begründung der Jury: “Humankapital degradiert nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen.”(1)). In den Jahrzehnten zuvor hatte man noch vom “Know-how” gesprochen, womit deutlich wird, dass die klassische Aufteilung in Arbeit, Boden und Kapital womöglich wirklich nicht mehr ganz zeitgemäß ist. So spricht der Innovationsreport für die CeBit 2006 von der Information als entscheidenden PF(2).

 

Information und Daten als Produktionsfaktor

 

Eine zielgerichtete Kombination von Produktionsfaktoren setzt den Einsatz von Daten bzw. Informationen voraus, wenn aus diesem Wissen und in der Folge neue Produkte, Dienstleistungen, Verfahren, Geschäftsprozesse etc. entstehen. Wissen entsteht erst durch den Menschen, indem er Informationen/Daten in geeigneter Weise interpretiert. Darum wurde es in der Vergangenheit dem Produktionsfaktor Arbeit zugeordnet. Im Zuge der Digitalisierung werden Daten und Informationen vom menschlichen Wissen trennbar. Software ist heute in der Lage, eigenständige Entscheidungen zu treffen, die durch Algorithmen digital umgesetzt werden. Daten und Information werden daher immer öfter als eigenständiger Produktionsfaktor angesehen, weshalb man die klassische Dreiteilung der Produktionsfaktoren erweitert. Dafür spricht die Tatsache, dass sich unter den 10 wertvollsten Unternehmen der Welt (2022) mit Google, Microsoft, Meta und Tencent gleich vier Konzerne befinden, deren Wert einzig und allein auf ihre Datenmacht zurückzuführen ist. Bei drei weiteren, Apple, Amazon und Nvidia, spielt Information ebenfalls eine zentrale Rolle. 

Die neuen Produktionsfaktoren

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Textblätter Produktionsfaktoren Information und Energie

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Dasselbe Problem betrifft auch einen weiteren, ja wenn nicht DEN Wachstumstreiber der vergangenen 200 Jahre. Die Autoren Lindenberger/Eichhorn/Kümmel haben nachgewiesen, dass auf Grund empirischer Studien die höchste Produktionsmächtigkeit (entspricht der Produktionselastizität) einem PF zugesprochen werden muss, dessen Zuordnung im klassischen Tableau mal als Faktor Boden (Kohle), mal als Faktor Kapital (Strom) an sich schon Schwierigkeiten bereitet: die Energie.(3) Die Autoren zeigen, dass der Anteil der Energie mit 30-40% (je nach Industrialisierungsgrad der Volkswirtschaft) an der Gesamtproduktion eines Landes anzusetzen ist – im Industriesektor sogar 50-60%, während z.B. die Produktionsmächtigkeit des Faktor Arbeit in den USA bzw. in Deutschland nur 14 bzw. 12% ausmacht. (Die Ergebnisse verdeutlichen auch die Gründe für den seit Jahrzehnten herrschenden Rationalisierungsdruck zur Automatisierung der Arbeitsprozesse.)

 

Als um 1800 die großen Produktivitätsfortschritte des Kohle-, Öl- und Atomzeitalters noch als kühne Zukunftsträume schier unvorstellbar waren, mag die Vernachlässigung des Faktors Energie in der klassischen Aufteilung der PF nachvollziehbar gewesen sein. Dass die gängige VWL der heutigen Zeit es nicht tut, hingegen nicht.
Schließlich stellt sich noch die Frage, ob und wie der PF “Rechte, Patente und Lizenzen” Erwähnung finden sollte. Der wachsenden Bedeutung dieser trägt das BiLMoG, die umfassendste Neufassung des HGB seit 25 Jahren Rechnung, welche im März 2009 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde.(4) In Angleichung an internationales Recht werden nun nicht nur käuflich erworbene, sondern auch selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände bilanziell aktiviert. Die Diskussion innerhalb der Volkswirtschaftslehre steht hier noch aus, ob der veränderten Wertigkeit von Produktionsbeiträgen hier berücksichtigt werden sollte.

Produktionsfaktoren - klassische und moderne Aufteilung

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Soziale Dimension:
Schon im Modell des Wirtschaftskreislaufs wird die Vergütung der Bereitstellung von PF durch Faktorentgelte thematisiert. Arbeitslohn, Kapitalzins, Bodenpacht sind die üblichen Begrifflichkeiten in diesem Zusammenhang. Ihre soziale Dimension kommt in den einschlägigen VWL-Lehrbüchern jedoch sehr kurz. Denn die Ausstattung mit PF bzw. das Recht ihrer Zugeldmachung ist entscheidendend für die Notwendigkeit seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt anbieten zu müssen, während Haushalte mit großem Vermögen bzw. Veräußerungsrechten an PF hier Vorteile besitzen. Dass die Kluft zwischen vermögenden und nicht-vermögenden/verschuldeten Haushalten seit Jahren ansteigt, ist mittlerweile eine Binsenweisheit(5). Im Zusammenhang mit den PF sollte immerhin dieser Querverweis gegeben werden, auch wenn eine Diskussion über gesellschaftlich-politische Hintergründe und Maßnahmen an dieser Stelle zu weit führt. Wird Information als separater PF angeführt, kann den Lernenden relativ plausibel die Bedeutung von Bildung als geldwerter Vorteil vor Augen geführt werden. Bei Betrachtung des PF Energie kann auch die Macht von Energiekonzernen thematisch angeschnitten werden.

Ökologische Dimension:
Schon seit geraumer Zeit wird in den meisten volkswirtschaftlichen Betrachtungen zu Produktionfaktoren der Faktor Boden mit dem Faktor Natur gleichgesetzt. Die Erkenntnis, dass eben nicht nur (landwirtschaftlicher) Boden, wie ihn die Physiokraten als zentral erachteten, sondern auch sonstige Ressourcen der Natur für den Wirtschaftsprozess elementar sind, existiert schon lange – das Beharrungsvermögen der Wissenschaft zeigt sich aber im Festhalten an dem Fachterminus “Boden” sehr zur Verwirrung der Lernenden.
Mag diese fachsprachliche Verwirrung aus historischen Gründen noch akzeptabel sein, so muss im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte eine notwendige Ergänzung vorgenommen werden: Die Unterscheidung in erneuerbare / nachwachsende Ressourcen und nicht-erneuerbare / fossile Ressourcen ist zwingend notwendig um dem Nachhaltigkeitsgedanken in die VWL tragen zu können. Denn um der Forderung, “dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können”(6) zu genügen, muss der Ressourcenstrom peu à peu von den nicht-erneuerbaren zu den erneuerbaren Rohstoffen umgeleitet werden. In Konzepten der Kreislaufwirtschaft gibt es durchaus eine Verwendung von nicht-erneuerbaren Ressourcen. Allerdings nur in bestimmten Anwendungsbereichen unter strenger Berücksichtigung von Naturschutzaspekten und Recyclebarkeit (siehe hierzu auch Beitrag zu Öko-Effizienz und Öko-Effektivität im Kapitel
Nachhaltigkeit).(7)

 

 

Ist Boden nur Anbau-, Abbau und Standortboden?

In den meisten Lehrbuchdarstellungen zum Produktionsfaktor Boden wird die klassische Aufteilung des Bodens in die drei Nutzunsarten Anbau-, Abbau- und Standortboden vorgenommen. Die Aufteilung stammt wie die allgemeine Betrachtung zu den Produktionsfaktoren aus der vorindustriellen Zeit bzw. aus der Epoche der Industrialisierung. Seither hat die Volkswirtschaftslehre kaum noch eine Änderung ihrer Betrachtung vorgenommen. Mitunter wird Boden seit einigen Jahren als Natur verallgemeinert, ohne dass die Nutzungsarten sich jedoch geändert hätten. Es ist kaum verwunderlich, dass ökologische Probleme der (übermäßigen) Naturnutzung in einer solchen Sichtweise verloren gehen. Boden galt für viele Jahrhundert beinahe als „freies Gut“, das für die produktive Nutzung durch das Wirtschaftssystem in ausreichender Menge zur Verfügung stand.

Erst durch die Betrachtungen zu den Grenzen des Wachstums und die in den letzten Jahren immer offenkundiger werdenden Umweltprobleme und Ressourcenknappheiten wurde deutlich, dass Boden wesentlich weiter gefasst werden muss. Sowohl für das Wirtschaftssystem im Speziellen als auch für die Gesellschaft im Allgemeinen unterliegt die Nutzung des Faktors Boden einer wesentlich engeren Konkurrenz. Denn der Boden kann nur einmal benutzt werden, entweder als Anbau-, Abbau-, Standortboden oder eben auch als Aufnahmeboden für die Abfälle und Reststoffe, die das Wirtschaftssystem nicht mehr produktiv nutzen kann und in die Natur abgibt – kontrolliert über die Entsorgungswirtschaft oder unkontrolliert durch kostensparende Produktion und gedankenlose Konsumenten. In der Betrachtung des „Ökologischen Systems“ bezeichnet man die Bodenfläche, die Atmosphäre und die Gewässer auch als „Senke“ für die Abfälle, Abwässer, Abgase und Reststoffe. Teilweise können diese von den Ökosystemen wieder abgebaut werden, teilweise verweilen die Abfälle und Reststoffe aber auch in den Naturkreisläufen, reichern sich dort an und gelangen über die Nahrungsketten wieder in die Quellen, aus denen unsere erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Ressourchen stammen (vgl. Ökologisches System im Kapitel Wirtschaftskreislauf).
(Den Lernenden ist die Problematik zunächst oft nicht klar; wenn man als Beispiel allerdings radioaktive Abfälle aus Atomkraftwerken oder die weltweite Plastikverschmutzung anführt, können sie ihr Allgemeinwissen jedoch einbringen. Die Parallele zu anderen Problemstoffen wie Chemikalien, Schwermetallen, langlebigen Kunststoffen lässt sich dann leicht ziehen.)

Die bisher angesprochenen Nutzungsarten haben gemeinsam, dass sie für das ökonomische System eine Rolle spielen. Die VWL hat seit ihrer Begriffsbildung auch kaum über den Tellerrand der ökonomisch-produktiven Nutzung des Bodens hinausgeschaut. Angesichts der zunehmenden Verknappung des Bodens zeigt sich, dass die ökonomisch-produktiven Nutzungsarten zudem noch in Konkurrenz zu nicht-produktiven (ökologischen) Nutzungsarten stehen. Denn der Boden dient außerdem den Menschen nicht nur als Produktionsfaktor, sondern auch als Wohn- und Erholungsraum oder als Freizeitgebiet ohne direkten ökonomischen Nutzen; außerdem beansprucht die Natur ihrerseits große Räume, die frei von menschlicher Nutzung bleiben dürfen, wo sich Flora und Fauna ungestört entwickeln bzw. auch von der Beanspruchung durch den Menschen erholen können (Naturschutzgebiete). 

Nutzungsarten des Bodens

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Ökosystemdienstleistungen

 

Ökonomisch spricht man zunehmend von Ökosystemdienstleistungen oder Umweltdienstleistungen. Darunter versteht man alle Vorteile und Nutzen, die der Mensch durch die natürlichen Prozesse genießt. Bekanntestes Beispiel sind die (kostenlose) Bestäubung von Nutzpflanzen durch Wildbienen sowie die Filterfunktion des Bodens, die wieder sauberes Trinkwasser produzieren kann.

 

Artikel "Dienstleistugen der Natur in Gefahr" (Frankfurter Rundschau vom 21.10.2019)

Ökosystemdienstleistungen

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Fragenkatalog mit Lösungen zum Artikel "Dienstleistungen der Natur in Gefahr"

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Peak Soil?

 

Das klassische Unterrichtsthema zum Produktionsfaktor "Boden" und seinen konkurrierenden Nutzungsarten Anbau-, Abbau- und Standortboden gewinnt durch Bestrebungen, immer mehr nachwachsende Rohstoffe anzubauen, neue Aktualität.

Es zeigt sich viel deutlicher als etwa beim Thema "Energie", dass die Fragen einer bescheideneren Lebensweise ("Suffizienz") vom Wirtschaftsunterricht nicht ignoriert werden dürfen.

Der Erde geht der Boden aus.
>> Artikel
Der-Erde-geht-der-Boden-aus.pdf
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Der Ökologische Fußabdruck
 

Zur Darstellung des individuellen bzw. gesellschaftlichen Naturverbrauchs dient das Konzept des "Ökologischen Fußabdrucks". Anfang der 90er Jahre entwickelten die Wissenschaftler Mathis Wackernagel und William Rees die Berechnung des Ökologischen Fußabdrucks, da sie nachforschen wollten, ob die Erde überhaupt noch ausreicht, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Um eine Antwort auf diese komplexe Frage zu bekommen, brauchten sie zuerst einmal eine einheitliche Maßeinheit, mit der sie ausdrücken konnten, was unsere Erde zur Verfügung stellt und was wir davon nutzen. Sie wählten die Fläche (ausgedrückt in Hektar)(8).

Je größer und schwerer eine Person ist, umso größer sind in der Regel auch ihre Füße. Je mehr Nahrung, Rohstoffe, Materialien, Güter und Energie wir verbrauchen, umso mehr nutzen und beanspruchen wir unsere natürliche Umwelt, aus der wir dies alles beschaffen und in die wir die Abfälle wieder entsorgen. Unser Material- und Energieverbrauch wird also in die dafür beanspruchte, biologisch aktive Land- und Wasserfläche umgerechnet und gibt damit ein anschauliches Bild des Naturverbrauches einer Person oder Region.

Der ökologische Fußabdruck setzt sich aus folgenden Flächen zusammen:
  • "Energiefläche" zum Ausgleich für die Verwendung fossiler Energie,
  • Siedlungsfläche z.B. für die Häuser, Verkehrs- und Produktionsflächen,
  • Ackerland für die Erzeugung von pflanzlichen Nahrungs- und Futtermitteln aber z.B. auch Textilfasern oder Schmierstoffen,
  • Weideland für unser Vieh und alle Produkte, die von ihm stammen,
  • Wald für Bauholz und Papierrohstoff sowie
  • Meeresfläche, aus der wir uns mit Meeresprodukten versorgen.


 

Mit Hilfe der Schuhgröße können wir feststellen, ob Schuhe uns zu groß oder zu klein sind.

Mit dem ökologischen Fußabdruck können wir ermitteln, wieviel Fläche jeder Einzelne oder eine Region für den jeweiligen Lebensunterhalt benötigt und ob die vorhandene Fläche dafür ausreicht. Im Internet sind diverse Software-Programme zur Berechnung des persönlichen ökologischen Fußabdrucks verfügbar. Ein auf Schülergegebenheiten abgestellter Rechner findet sich hier.

Ebenso wie es Menschen mit großen und kleinen Füßen gibt, können wir auch Personen, Regionen oder Länder mit unterschiedlich hohem Naturverbrauch unterscheiden - und damit unterschiedlich großem ökologischen Fußabdruck.

Deutschland liegt hier beim Vergleich mit anderen Industrieländern mit 4,9 Hektar pro Person im Mittelfeld. Bald acht Milliarden Menschen bevölkern inzwischen die Erde und die hat eine für uns nutzbare Fläche von 11,2 Milliarden Hektar. Damit bleiben für jeden Menschen 1,6 Hektar Land zuzüglich 0,40 Hektar Meer. Wenn alle Menschen so leben würden wie wir in Deutschland, bräuchten wir 3 Erden.

Der Ökologische Rucksack
 

Um den Umweltverbrauch von Produkten messbar zu machen wurde am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Mitte der 90er Jahre das Konzept des "ökologischen Rucksacks" entwickelt. Der „ökologische Rucksack“ ist definiert als die Summe aller natürlichen Rohmaterialien von der Gewinnung bis zum verfügbaren Werkstoff oder zum dienstleistungsfähigen Produkt in Tonnen Natur pro Tonne Produkt, abzüglich dem Eigengewicht des Werkstoffes oder Produktes selbst. Der Materialeinsatz wird dabei definiert als die absolute Menge an Rohstoffen, die in der gesamten „Lebenszeit“ des Produktes bewegt werden bzw. für die Erbringung einer Dienstleistung notwendig sind (MIPS - Material Input per Service Unit). Diese Stoffe hängen quasi als „Rucksack“ an jedem Gut (9).

Quelle: Baedeker/Kalff/Welfens: MIPS für Kids (2002), S. 29.

Dazu werden alle Prozessschritte vom Produkt zurück zum Rohstoff verfolgt. Dabei gewinnt man Informationen über die Produktionsketten und eingesetzten Materialien, aber auch über die geographische Herkunft aller eingesetzten Teile. Der Begriff wird für den Vergleich gleichwertiger Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen genutzt.

 

Das Gewicht einer Mausefalle sagt wenig darüber aus, wieviel Holz aus dem Wald geholt werden musste, um das Brettchen zu schneiden. Und das Gewicht der Stahlfeder gibt keine Auskunft über den Abraum, welcher aus seinem geologisch gewachsenen Platz bewegt werden musste, um das Erz verfügbar zu machen, wieviel Transport nötig war und wie viele natürliche Ressourcen für den Bau der Hochöfen für die Stahlgewinnung nötig war. Man kann aber alle Prozessschritte von der Mausefalle zurück zu dem Punkt verfolgen, an dem die natürlichen Rohmaterialien ursprünglich gewonnen wurden. Man kann diesen Weg „materiell“ zurückverfolgen, also die Prozessketten aufrollen. Man kann ihn zusätzlich auch „geographisch“ nachvollziehen, also fragen, aus welchem Land oder aus welcher Gegend die einzelnen Materialien kommen. Der „ökologische Rucksack“ ist definiert als die Summe aller benötigten natürlichen Rohmaterialien von der Gewinnung bis zum verfügbaren Werkstoff oder zum dienstleistungsfähigen Produkt in Tonnen Natur pro Tonne Produkt, abzüglich dem Eigengewicht des Werkstoffes oder Produktes selbst.

 

Das Gleiche gilt auch für Dienstleistungen: Ein Besuch beim Arzt, eine Beratung in der Verbraucherzentrale – immer sind Transportmittel (Auto, Bus, Bahn), Arbeitsgeräte (Diagnoseapparate, Computer) und andere materielle Dinge im Spiel, die mit den Rohstoffströmen verbunden sind. Auch Dienstleistungen tragen daher ökologische Rucksäcke.

Quelle: Baedeker/Kalff/Welfens: MIPS für Kids (2002); S. 24.

Betrachten wir einmal den Weg einer ganz normalen Jeans.(10) Hauptanbaugebiete für Baumwolle sind die USA, China, Pakistan, Indien und Usbekistan; dem Rohstoff wird weltweit eine Anbaufläche so groß wie ganz Deutschland, geopfert. Baumwollpflanzen brauchen extrem viel Wasser (der Aralsee, an den Usbekistan grenzt, ist deshalb fast leer gepumpt). Außerdem müssen sie vor Schädlingen geschützt werden: Zehn Prozent des weltweiten Pestizid- und Düngemittelverbrauchs gehen auf das Konto der Baumwolle.

Die Rohbaumwolle kommt per Schiff nach Deutschland, hier werden die Fasern gesponnen und veredelt: Dabei wird Energie verbraucht und noch einmal sehr viel Wasser eingesetzt. Mithilfe von umweltbelastenden Chemikalien färbt man den Jeansstoff, verleiht ihm Glanz und Weichheit.

Und weiter: Zum Nähen der Hose wird der Stoff in Niedriglohnländer transportiert, etwa nach Tunesien; dorthin gelangen nach einem ebenfalls weiten Weg auch die Knöpfe, die Reißverschlüsse und das Nähgarn. Eingepackt in Kunststofffolie, werden die Jeans wieder nach Deutschland verschifft und auf die Läden verteilt. Nach dem Verkauf geht es weiter: Die Hose wird unter Einsatz von Energie, Wasser und Reinigungsmitteln x-mal gewaschen, schließlich weggeworfen oder in die Altkleidersammlung gegeben.

Rechnet man den gesamten Ressourcen- und Energieaufwand zusammen, ergibt sich für die 600 Gramm leichte Jeans ein ökologischer Rucksack von 32 Kilogramm – und darin sind die durchschnittlich verbrauchten 8000 Liter Wasser noch gar nicht enthalten.

Größer ist der Rucksack beim Auto. Es besteht zum größten Teil aus Stahl – die Rohstoffe dafür sind Eisenerz, Kohle und Kalk. Zum Erzabbau werden Wälder abgeholzt, Flüsse umgeleitet, Erde abgetragen und Maschinen eingesetzt, die unter anderem Benzin verbrauchen. Für die anderen Bestandteile des Autos – etwa die Reifen aus Gummi, den Katalysator aus Platin, die Armaturen aus Kunststoff – werden ebenfalls Tonnen von Material bewegt. ökologische Rucksäcke.

Ökologischer Rucksack vs. Ökologischer Fußabdruck

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Ökologischer Rucksack vs. Ökologischer Fußabdruck

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(1) Quelle: www.unwortdesjahres.org/2004.html

(2) Quelle: www.innovations-report.de/html/berichte/cebit_2006/bericht-54337.html

(3) Quelle: Grahl, Jürgen / Kümmel, Rainer: PF Energie – Der Stille Riese. http://energiesteuer.net/artikel/stilleriese.html, schöne gekürzte Darstellung von W. Stiffel: http://wstiffel.homepage.t-online.de/Energiesteuern1.htm
Grafik von Jens Jordan, http://energiesteuer.net/karikatur.html

(4) Quelle: www.bilmog2009.de/

(5) Quelle: www.bpb.de/themen/YARBIR,0,0,Ungleiche_Verm%F6gensverteilung.html

(6) Quelle: United Nations World Commission on Environment and Development: Our Common Future. 1987.

(7) Quelle: Die Klugheit des Kirschbaums. www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/0626/magazinmagazinmagazin/0001/index.html

(8) Grafik adaptiert aus:  www.ew.govt.nz/Environmental-information/Environmental-indicators/Community-and-economy/Sustainability/ecofoot-report/

(9) Grafik aus: Baedeker, Carolin / Kalff, Michael / Welfens, Maria J.: "Mips für Kids - Zukunftsfähige Konsum- und Lebensstile als Unterrichtsprojekt". München 2002, S. 29.

(10) Grafik aus: Baedeker, Carolin / Kalff, Michael / Welfens, Maria J.: "Mips für Kids - Zukunftsfähige Konsum- und Lebensstile als Unterrichtsprojekt". München 2002, S. 24.

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