Nachhaltige Entwicklung im volkswirtschaftlichen Unterricht
Nachhaltige Entwicklungim volkswirtschaftlichen Unterricht

Grundlagen und Grundbegriffe

Abgrenzung BWL-VWL im Sinne der Nachhaltigkeit

Zu Beginn der Unterrichtsreihen nehmen die Lehrenden in der Regel eine Abgrenzung ihres Fachs vom zumeist parallel unterrichteten “Schwesterfach” vor. Beliebt und einprägsam ist die Unterscheidung in Frosch- und Vogelperspektive. Entscheidend ist dabei jedoch, WO der Frosch im BWL-Unterricht sitzt: Nämlich IM Betrieb (und nicht in den Straßen der Stadt oder am Teich). Und er ist so groß, dass er den dort beschäftigten Mitarbeitern und den Geschäftsleitern über die Schultern schauen kann.

 

 

BWL geht an einen Betrieb heran, wie im Kinderalter die kleine Schwester ans Puppenhaus: Exemplarisch wird die Wand zu einem Betrieb eingerissen, Abteilungen beobachtet und auseinander genommen, Abläufe nachgeahmt. Kein Wunder, dass der Einsatz von Übungsfirmen in der schulischen Ausbildung auf dem aufsteigenden Ast ist. Zwar ist heute die prozessorientierte Herangehensweise auf dem Vormarsch, doch bedeutet dies eben nur, dass der Frosch innerhalb eines Betriebs den verschiedenen Prozessen (Bestellvorgänge, Planung und Durchführung von Werbekampagnen) hoppsend hinterher springt anstatt still in der Ecke der verschiedenen Abteilungen zu sitzen, wie es früher bei der statischen Funktionsorientierung in der BWL der Fall war.

In der VWL wird die Außenwand wieder geschlossen - die Unternehmung wird zur Blackbox. Genauso wenig wie in biologische Prozesse des Menschen oder soziale Strukturen von Haushalten betrachtet werden, so werden auch nur Theorien über das von außen beobachtbare Verhalten der Unternehmung gebildet – interne Abläufe oder Strukturen werden als gegeben betrachtet. Wie bei den Haushalten wird dabei rationales Verhalten unterstellt – d.h. im Grunde “beobachtet” der Vogel in der Vogelperspektive überhaupt nicht, sondern den Annahmen der Neoklassik (oder auch modernerer Ansätze wie der Spieltheorie) gemäß werden zumeist rationale und utilitaristische Verhaltensweisen unterstellt. Ökonometrisch (d.h. empirisch) abgesichterte Modelle finden auf Grund ihrer Komplexität keinen Niederschlag im Schulunterricht.

Somit schimmert in der Metapher von der “Vogelperspektive” eine vermeintliche Objektivität der Betrachtung durch, die bei genauerem Besehen nicht haltbar ist. Stattdessen sollte man offen die subjektiven Annahmen über das Modellgeschehen thematisieren. Die VWL ist dann eine Theorie aus der Perspektive eines im Flugzeug sitzenden Wissenschaftlers (wobei jeder Wissenschaftler seiner Schule gemäß unterschiedliche Annahmen trifft – der moderne Ansatz der Behavioral Finance versucht z. B. wieder Brücken zur Psychologie zu schlagen).

 

Wenn “Nachhaltige Entwicklung” als durchgehendes Paradigma des volkswirtschaftlichen Unterrichts Anwendung finden soll, soll muss bereits bei der Unterscheidung von betriebs- und volkswirtschaftlichen Erkenntnisgegenstand die herkömmliche Abgrenzung erweitert werden. Denn Wechselwirkungen zwischen Öko- und Wirtschaftssystem sowie Gesellschaft in ihrer Struktur sind gerade im volkswirtschaftlichen Unterricht im Auge zu behalten.

Als Metapher für ökologische Zusammenhänge sollte die "Astronautenperspektive" zu Frosch-/Puppenhausperspektive sowie Vogel-/Flugzeugperspektive hinzutreten. Sie steht für eine Beobachtung globaler Auswirkungen des Wirtschaftens, welche bis Ende des letzten Jahrhunderts ignoriert worden waren.(1) Zwar unterschlägt dieses Bild, dass viele ökologische Zusammenhänge nur bei sehr erdnaher (oder sogar “mikroskopischer”) Analyse erkennbar werden. Doch das Aufsteigen aus dem Flugzeug in einem Weltraumgleiter über die Erdatmosphäre hinaus versinnbildlicht die erweiterte Perspektive des nachhaltigen Ansatzes gegenüber klassischen mikro-/makroökonomischen Betrachtungen, die im “Jahrhundert der Umwelt” (Ernst Ulrich von Weizsäcker) nicht fehlen darf.

 

Die Notwendigkeit des Wirtschaftens 

Das Schlaraffenland ist jedem Kinde wohlbekannt… Weniger bekannt ist jungen Menschen, dass die Legende vom Land des Überflusses über 500 Jahre alt ist. Nachvollziehbar wird dieser Umstand aber an Hand der Sprache des Dichters Hans Sachs, die dennoch auch heute noch gut verständlich und zur Einleitung des Themas bestens geeignet ist.

 

 

Das Schlaraffenland

Eine Gegend heißt Schlaraffenland,
den faulen Leuten wohlbekannt;
die liegt drei Meilen hinter Weihnachten.
Ein Mensch, der dahinein will trachten,
muß sich des großen Dings vermessen
und durch einen Berg von Hirsebrei essen;
der ist wohl dreier Meilen dick;
alsdann ist er im Augenblick
im selbigen Schlaraffenland.
Da hat er Speis und Trank zur Hand;
da sind die Häuser gedeckt mit Fladen,
mit Lebkuchen Tür und Fensterladen.
Um jedes Haus geht rings ein Zaun,
geflochten aus Bratwürsten braun;
vom besten Weine sind die Bronnen,
kommen einem selbst ins Maul geronnen.
An den Tannen hängen süße Krapfen
wie hierzulande die Tannenzapfen;
auf Weidenbäumen Semmeln stehn,
unten Bäche von Milch hergehn;
in diese fallen sie hinab,
daß jedermann zu essen hab.

 

(...)

Hans Sachs (1494 -1576)

Das Schlaraffenland (Pieter Bruegel d. Ä. um 1567)

Visualisiert wurde diese Traumwelt in dem weltbekannten Gemälde des holländischen Malers Pieter Bruegel dem Älteren. Es mag eine Weile dauern, bis heutige Jugendliche sich an die Bildsprache des ausgehenden Mittelalters gewöhnt haben, doch sollten sie dann doch erkennen, dass es sich nicht um ein Massaker in einem Videospiel handelt, sondern die rundlichen Charaktäre auf dem Bild eine gute Zeit haben zwischen Kuchen auf den Dächern, essbereiten Spanferkeln, die das Messer gleich mit sich führen, und Weinkrügen, unter die man sich nur noch legen muss, um den Rausch komplett zu machen.

 

Der Kontrast zu Armut, Kriegen und Ausbeutung im Mittelalter hätte nicht größer sein können. Auch bei größter körperlicher Anstrengung waren die Verheißungen des Schlaraffenlandes für den Normalsterblichen niemals zu erreichen. Die Ironie der Legende dürfte sein, dass sich jeder Mensch jener Epoche in unserer Gegenwart von allgegenwärtigen Konsumangeboten definitiv als Entdecker des wahren Schlaraffenlandes fühlen müsste. Und doch stellt die Notwendigkeit des Wirtschaftens als bis heute ungebrochen dar. Wie in den schlimmsten Notzeiten des Mittelalters, in denen die Fantasiewelt Trost und Unterhaltung bot, müssen wir auch heute noch dafür Sorge tragen, dass unsere Supermarktregale voller bunter Angebote sind und wir über genügend finanzielle Mittel zu ihrem Erwerb verfügen.

 

Die klassische Volkswirtschaftslehre führt diese Notwendigkeit insbesondere auf die Knappheit der Güter zurück:

 

Bei knappen Gütern ist

zum Bereitstellungspreis von Null

die Nachfrage größer als das Angebot. 

 

Das führt dazu, dass Güter auch in unserer heutigen Zeit einen Preis (größer als Null) haben und die Wunschwelt des Schlaraffenlandes für jeden Menschen (ob prekär Beschäftigter oder Multimillionär) auch weiterhin unerreicht bleibt. 

 

Neu in einer am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierten Wirtschaftslehre ist eine weitere Notwendigkeit, die zu den altbekannten Gründen hinzu tritt: Ressourcen wie Erdöl, diverse Erze und die Aufnahmekapazität der Natur für Abfälle sind nach heutigem Dafürhalten ebenfalls begrenzt. Umgangssprachlich sprechen wir auch hier von “knappen Ressourcen”. Im Gegensatz zu den knappen Gütern der VWL handelt es sich jedoch nicht um eine “relative Knappheit”, die auf einem Missverhältnis von Angebot und Nachfrage auf Grund von mangelnder Kapitalausstattung des Produktionssektors beruht und die sich durch Investitionen in zusätzliche Produktionskapazitäten reduzieren ließe. Die Knappheit von Indium, Kupfer oder Erdöl ist eine absolute, denn sie ist trotz Steigerung der Investitionen in Entdeckung von Vorkommen und industrielle Förderung nicht beliebig ausdehnbar. Noch unsicherer ist unsere Ausnutzug der natürlichen Umwelt als “Senke”, d. h. Auffangbecken für Reststoffe und Giftstoffe unserer Produktion und unseres Konsums, die kontrolliert oder unkontrolliert in die Biosphäre abgegeben werden. Wie hoch die Fähigkeit der Natur zur “Resilienz”, d. h. zur Abfederung der Belastungen, ist, ist Gegenstand unzähliger Studien und Diskussionen, wird sich aber mit letzter Sicherheit niemals vorausberechnen lassen. Unser ökonomischer Umgang mit der Natur gleicht einem globalen “Russisch Roulette”. 

 

Vor diesem Hintergrund ist die Notwendigkeit des Wirtschaftens heute vielfältiger zu begründen als nur über die relative Knappheit von Gütern, wie es die traditionelle VWL tut. Dabei kann man als Lehrperson die neue Sichtweise auf die VWL explizit machen - oder auch einfach voraussetzen. Denn die Ergänzungen von Ressourcenknappheit und Umweltbelastung sind heute - auch wenn dies die traditionelle VWL weiterhin ignoriert - für Jugendliche bereits Allgemeingut.

Die Notwendigkeit des (nachhaltigen) Wirtschaftens
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Die Wirtschaft ist für den Menschen da - nicht umgekehrt: Die Bedürfnispyramide nach Maslow
 

Eine hervorragenden Anlass zur Fortführung des Thema Nachhaltigkeit stellt im Rahmen des Unterrichtsthemas „Bedürfnisse“ die sogenannte Bedürfnispyramide nach dem amerikanischen Psychologen Abraham Maslow dar. Maslow entwickelte ein Modell der Rangfolge der menschlichen Bedürfnisbefriedigung, angefangen bei den Existenzbedürfnissen wie Schlafen, Essen und Trinken, über Sicherheitsbedürfnisse wie Schutz vor widrigen Umwelteinflüssen und anderen Menschen und soziale Bedürfnisse wie Liebe, Beachtung oder Gruppenzugehörigkeit bis hin zu Geltungsbedürfnissen (Lob, Ruhm) und schließlich Selbstverwirklichung als höchstes Ziel der menschlichen Existenz. Das Modell impliziert, dass zunächst die unteren Bedürfnisebenen anvisiert werden, bevor ein Mensch die höheren Bedürfnisse befriedigen kann bzw. will.

Das Modell zeigt in nachvollziehbarer Weise, dass immaterielle Wünsche sehr oft einen höheren Grad der Bedürfnisbefriedigung erzielen und Güter bzw. deren Produktion, Konsum und Besitz vielfach nur ein Mittel zum Zweck sind. Aus Sicht der Nachhaltigkeit lässt sich hier ein erster Ansatz von Konsum- und Materialismuskritik herstellen, der das ungebremste Anhäufen von materiellen Gütern der „Ex-und-Hopp-Gesellschaft“ hinterfragt.

Gleichzeitig muss man auch hier – wie zumeist in der Wirtschaftswissenschaft – Modellkritik üben. Denn die Bedürfnispyramide nach Maslow stellt eine Art Verallgemeinerung dar, die auf den ersten Blick einleuchten mag, sich jedoch nicht vorbehaltlos auf jeden Menschen übertragen lässt. Lernende könnten Überlegungen anstellen, ob es Fälle gibt, in denen die Reihenfolge der Bedürfnisbefriedigung eine andere ist. Beispiele hierfür sind etwa Extremsportler/innen, die das Bedürfnis nach Anerkennung oder Selbstverwirklichung höher bewerten als das Sicherheitsbedürfnis. Ein weiteres (trauriges) Beispiel (gerade auch aus dem Lebensumfeld mancher Jugendlicher) sind Fälle von Magersucht, die einen Hinweis darauf geben, dass das Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung womöglich als grundlegender erachtet werden muss als es die Bedürfnispyramide nahelegt. Des Weiteren fehlen in der Auflistung emotionale Bedürfnisse aus dem Bereich der Ästhetik, deren Eingruppierung individuell sicher unterschiedlich erfolgt. Schließlich stellt sich die spirituelle Frage nach dem Sinn des Lebens. Maslow selbst hat kurz vor seinem Tod noch eine erweiterte Bedürfnishierarchie entwickelt, in der explizit das Bedürfnis der Transzendenz als höchste Bedürfnisebene Aufnahme fand. (2)

 

Über deren Rang in der Pyramide ließe sich auch hier trefflich streiten. “Sinn” wird sowohl in vielen traditionellen Religionen als auch - nicht zuletzt dank der Publikationen von Viktor Frankl - in der heutigen Psychologie als absolut elementares Bedürfnis identifiziert.

Schließlich stellt sich die Frage, wie man negativ bewertete menschliche Verhaltensweisen wie Dominanz- und Konkurrenzstreben oder Destruktivität in das Modell integrieren kann. Die meisten Darstellungen der Bedürfnispyramide gehen von einem stark idealisierten und individualisierten Menschenbild aus, dessen Reflexion sicherlich den Horizont des Wirtschaftsunterrichts übersteigt und im Religions- oder Ethikunterricht aufgegriffen werden sollte.

Ziel der Hinterfragung ist unter anderem neben der fachlichen Vertiefung auch die Erkenntnis, dass selbst vermeintlich erprobte wissenschaftliche Modelle nicht gedankenlos akzeptiert werden sollten.(3)

 

Güter und Güterarten um Aspekte der Kreislaufwirtschaft und des Fairtrades erweitern

 

Ebenfalls zu Beginn des volkswirtschaftlichen Unterrichts wird in den meisten Lehrplänen der Begriff der Güter erörtert. Insbesondere findet eine Unterscheidung in freie und knappe Güter, in Verbrauchs- und Gebrauchsgüter, Produktions- und Konsumgüter, materielle und immaterielle Güter (Dienstleistungen und Lizenzen), Substitutionsgüter sowie Komplementärgüter statt. Teils wird somit die Vielfalt der Dinge deutlich, die unter dem volkswirtschaftlichen Fachbegriff “Güter” vereinheitlicht werden, teils werden spätere Themen terminologisch vorbereitet (z.B. unternehmerische Investitionen).

Wenn man beispielsweise bei der Diskussion aktueller Wirtschaftspolitik den Trend zur Privatisierung aufgreifen oder die Problematik des “Marktversagens” aufarbeiten möchte, empfiehlt sich an dieser Stelle vorbereitend die Einführung der Unterscheidung in private und öffentliche Güter (Gemeingüter).

Immer mehr Verbraucher greifen zu fair gehandelten Produkten. Wenn die zu Grunde liegenden Produktionsstandards beachtet werden, kann man hoffen, dass die Arbeitsbedingungen und die sozialen Verhältnisse der an der Produktion beteiligten Menschen ein größere Rolle spielen als bei konventionellen Gütern, bei denen primär die Kostensenkung im Vordergrund steht. Fairtrade-Produkte können und sollten also als eigene Kategorie eingeführt werden - dabei sollte aber nicht verschwiegen werden, dass es "DAS faire" Produkt nicht geben kann: Zumeist werden nur bestimmte Aspekte ins Auge gefasst und es obliegt jedem, ob ihm oder ihr die erfüllten Produktionsstandards genügen.

 

Für das Thema der Nachhaltigen Entwicklung unabdingbar ist die stoffliche Betrachtung des Wirtschaftsprozesses. Die Frage der Ressourcengewinnung oder –verwertung steht ja ganz im Mittelpunkt zumindest ökologischer Betrachtungsweisen.

Eine Hinführung zu dieser Thematik kann erreicht werden, indem Güter nach ihrer “Recyclierbarkeit” unterschieden werden. Den meisten Schülern werden etwa Papier und Glas als recyclebare Güter einfallen. Beispiele für nicht-recyclebare Güter hingegen sind schon schwieriger. Denn der Boom der “Entsorgungswirtschaft”(3) der vergangenen Jahre zeigt, dass technisch inzwischen auch Produkte wieder stofflich verwertet werden, bei denen dies ehedem kaum denkbar gewesen wäre. Vielfach zwingt der Gesetzgeber die Hersteller zumindest auf dem Papier zur Rücknahme vieler Produkte und zur stofflichen Verwertung (dass in diesem Wirtschaftssegment auch kriminelle Energien zu finden sind, spielt dann für die praktische Durchsetzung von Gesetzen eine Rolle).

Güterarten

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Nur wenige Güter sind unwiderruflich nicht-recyclebar. Oft sind es nicht technische sondern wirtschaftliche Gründe, die eine Rückführung des Gutes oder seiner Bestandteile verhindern. Die simple Unterscheidung in recyclebar – nicht-recyclebar stößt also schnell an Grenzen, weshalb sich ein Exkurs zum Thema Recycling an dieser Stelle anbietet.

Der Weg der Güter - Recyclingarten in der Nutzungskaskade

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Die Übersicht zeigt exemplarisch am Konsumgut “Joghurt-Behältnis”, welchen Weg dieses nach der Nutzung durch den Endverbraucher nehmen kann. Bemerkenswert, dass Schüler des Öfteren der Meinung sind, eine Weiterverwertung von Reststoffen zur Kreation neuer Produkte wie Parkbänke, Taschen aus alten “Capri-Sonnen-Verpackungen” sei höher zu bewerten als etwa die Wiederverwendung oder Wiederverwertung. Unter dem Aspekt menschlicher Kreativität sind solche Produkterfindungen zwar begrüßens- wie bewundernswert und teils gut vermarktbar, aus stofflicher Sicht muss jedoch – gerade vor dem Hintergrund des Entropiegesetzess – klar werden, dass Weiterverwertung (oft auch als “Down-Cycling” bezeichnet) nur eine minderwertige Verwendung der Rohstoffe ist, da das Ursprungsprodukt – typisch für viele Kunststoffe – nicht mehr in einwandfreier Qualität wiedergewonnen werden kann und selber der Zuführung frischer Rohstoffe aus der Natur bedarf.

(Für besonders aufgeweckte Klassen könnte man hier allerdings die Frage aufwerfen, ob das “Aufbereiten” von abgebrannten Brennstäben in atomaren Wiederaufbereitungsanlagen zur Herstellung atomwaffenfähiger Materialien auch als “Down-Cycling” bezeichnet werden könne...)

 

Es sollte deutlich werden, dass die Kaskade auch etwas mit Minder- oder Höherwertigkeit zu tun hat.(5)

 

Was etwa die sogenannte “Deponierung” von Problemstoffe oder solchen, die nicht wirtschaftlich rückzugewinnen sind, betrifft, so muss im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses von ökologischen Kreisläufen der Bogen zur Natur geschlagen werden: Eine hundertprozentig sichere Deponie gibt es nicht (siehe: Frage der “Endlagerung” von Atommüll). Es besteht immer die Gefahr, dass Problemstoffe (Chemikalien, Gifte, radioaktive Strahlung) aus der Deponie austreten und die natürlichen Stoffkreisläufe und somit die Organismen bis hin zum Menschen schädigen. Eine sichere Deponie bedarf daher auch über Jahrzehnte bis Jahrhunderte der technischen Überwachung.

 

“Absolut knappe Güter”: Ob in Zeiten der Ressourcenkriege noch eine einfache Unterscheidung von freien Gütern und knappen Gütern ausreicht? Noch ist kein Autor auf die Idee gekommen, in der volkswirtschaftlichen Theorie die Kategorie “besonders knappe Güter” einzuführen. Darunter fielen z.B. die in letzter Zeit immer bekannter gewordenen “Seltenen Erden” wie Coltan, das für die Chipindustrie einen essentiellen Rohstoff darstellt, nur in wenigen Ländern der Welt gefördert wird und der Hauptgrund ist, weshalb sich das Thema “Handy-Recycling” auch und gerade unter jungen Lernenden weit verbreitet hat. Dass neben Kupfer(!) wohl langsam auch Rohöl zu solch “absolut knappen Gütern” gehört, ist langsam Allgemeingut.

 

Güterwohlstand - eine eindimenionale Sichtweise

 

Obwohl mittelweile in einer Vielzahl ökonomischer Lehrbücher die Bedürfnispyramide nach Maslow andeutet, dass Wohlstand nicht rein materiell definiert werden kann, konzentrieren sich die meisten ökonomischen Lehrbuchdarstellungen in der Folge auf die Analyse von Güter- und Faktormärkten, d.h. auf die materielle Seite des Wohlstands, die mittels ökonomischer Prinzipien und volkswirtschaftlicher Rechnungslegung dann auch noch zu maximieren sei.

 

Aus Nachhaltigkeitssicht ist diese eingeschränkte Perspektive problematisch, nicht nur auf Grund materieller Wachstumsgrenzen. Auch gerät der Fokus weg vom Menschen und seinen ureigensten Bedürfnissen, die in vielen Fällen gerade nicht durch Güter zu befriedigen sind. Hier helfen neuartige und erweiterte Definitionen von Wohlstand weiter, so etwa das Konzept des Zeitwohlstands. Während konventionelle Lehrbücher die Diskussion um Wohlstandsbegriffe oft der Kritik am Bruttoinlandsprodukt angliedern, ist es durchaus sinnvoll, alternative Wohlstandsbegriffe bereits in den Grundlagenkapiteln bzw. in Einführungsstunden zu thematisieren. Nur so lässt sich eine nachhaltige, multiperspektivische VWL von Anfang an anlegen. Die Eindimensionalität neoklassischer Partialmarktmodelle wird erst so offensichtlich, da sie im volkswirtschaftlichen Grundlagenunterricht gewöhnlich nur Güter- und Faktormärkte im Blick haben und über den Produktionsfaktor Arbeit Zeit allein unter produktiven Aspekten betrachten ("Time is money."). 

 

 

Ökonomisches vs. Ökologisches Prinzip

 

Früher oder später steht das “Ökonomische Prinzip” auf dem Lehrplan. Die Maxime des rationalen Homo Oeconomicus stellt heutzutage auch einen normativen Wert an sich dar – wer gesellschaftlich akzeptiert sein will, sollte wenigstens verbal die Gültigkeit dieser Verhaltensmaßregel vertreten (obwohl jedem Werbefachmann klar ist, dass sich der Homo Sapiens bzw. der “Homo Consumens” sich in den allerwenigsten Alltagssituationen tatsächlich nach rationalen Gesichtspunkten entscheidet). “Irrationale” Verhaltensweisen sind in der Moderne eher verpönt. Dass die inzwischen erreichte “Post-Moderne” nun wieder von der kalten Rationalität Abstand nimmt, wird gesellschaftlich immer öfter wahrgenommen. Akademische oder schulische Lehrpläne gehen darauf aber nur in den dafür vorgesehenen Fächern ein (Religion/Ethik), die Sachfächer werden von dem neuen Trend noch kaum berührt.

 

Schon an dieser Stelle gabeln sich die Wege in der Frage, wie der VWL-Unterricht in der Folge weiterarbeiten kann. Wird das Ökonomische Prinzip als alleiniges Merkmal menschlicher Entscheidungen betrachtet, fallen psychologische Modelle von vorneherein aus. Auch die Nachhaltige Entwicklung kann im Falle rein rationaler Menschen lediglich durch rein materielle Anreize erreicht werden.

 

Die Vielschichtigkeit menschlicher Entscheidungen bei der Erarbeitung volkswirtschaftlicher Grundlagen auch kaum hinreichend zu erfassen. Im Sinne der Nachhaltigen Entwicklung sollte dem “Ökonomischen Prinzip” jedoch das “Ökologische Prinzip” gegenübergestellt werden. Das allenthalben bekannte Ökonomische Prinzip (in seinen Ausprägungen Minimal- und Maximalprinzip) wird so ergänzt durch die Gegenüberstellung einer Wirtschaftsentscheidung in größerem Einklang mit dem Erhalt der ökologischen Lebensgrundlagen: Dann ist bei allen wirtschaftlichen Tätigkeiten so zu handeln, dass die Umwelt geringstmöglich belastet wird. Mit Hilfe der Lernenden, die heute durchaus genügend Hintergrundwissen besitzen, lassen sich praktikable Wege hin zu einer Entscheidung im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit erarbeiten.

 

Auf Seiten der Haushalte kann dies erreicht werden durch:

  • Mülltrennung
  • Bevorzugung von ökologisch hergestellten Produkten (Öko-Label) und Bio-Lebensmitteln
  • Berücksichtigung (ökologischer) Folgekosten von Produkten (Stromverbrauch)
  • Transportwege reduzieren
  • Konsumverzicht

 

In der Unternehmen kann dies erreicht werden durch:

  • Filtertechniken einsetzen (Emissionen bzw. Immissionen vermeiden).
  • Material-/Energieeinsparung in der Produktion (Ressourcenproduktivität steigern)
  • Transportwege reduzieren
  • Ersatz (Substitution) umweltschädlicher durch naturverträglicher Materialien (Steigerung der Öko-Effektivität/Konsistenz)
  • Recycling (Wiederverwendung, Weiterverwendung, Wiederverwertung, Downcycling)
  • „Öko-intelligentes“ Produktdesign (so dass bei Produktrückgabe Recycling der verbauten Materialien erleichtert wird).

 

Einige Handlungsweisen, inbesondere jene der Ressourceneinsparung, lassen sich sowohl mit dme ökonomischen als auch dem ökologischen Prinzip verbinde. Es ist aber offensichtlich – und wird von Schülerinnenseite auch des Öfteren angesprochen – dass sich die Maximen des Ökologischen Prinzips bisweilen mit dem Ökonomischen Prinzip auch nicht vereinbaren lassen. Die dahinter stehende Frage der (ökologischen) Kostenstruktur der Güter lässt sich dann nur durch staatliche Regulierung verändern. Hier wäre ein guter Zeitpunkt, etwa das Mittel der Ressourcensteuern oder Öko-Umstellungssubventionen anzusprechen).

Ökonomisches vs. Ökologisches Prinzip
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Oekonomisches vs. Oekologisches Prinzip [...]
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(1) Es kann inzwischen als gesichert betrachtet werden, dass die moderne Raumfahrt zu einer “kopernikanischen Wende” im Bewusstsein der Menschheit geführt hat – durch die weltweit vertraut werdenden Bilder der Erde aus dem Weltall entstand erst so etwas wie ein globales Bewusstsein, dass sowohl Grundlage für die Ökologiebewegung als auch Wachstumstreiber der globalisierten Weltwirtschaft und Mediengesellschaft wurde.

“Mondlandung verändert Blick auf die Welt” - Feature von Florian Hillebrand, in: IQ – Wissenschaft und Forschung in Bayern2 vom 21.7.2009
http://www.br-online.de/bayern2/iq-wissenschaft-und-forschung/iq-feature-mondlandung-ID1247575008503.xml

(2) Grafik aus http://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie#mediaviewer/File:Erweiterte_Bed%C3%BCrfnishierarchie_%281970%29_nach_Maslow.svg


(3) Dank an Maik Lippert für die Anregung zur Erweiterung dieser Webseite zum Thema "Maslow-Bedürfnis-Pyramide".


(4) Reflexion des Begriffs “EntSORGUNG”: Sind wir wirklich aller Sorgen los, wenn unser Abfall von der Müllabfuhr abgeholt worden ist?


(5) Reflexion des Begriffs “Thermische Verwertung”: Dass alle Produktqualitäten in der Verbrennung unwiderruflich untergehen, wird durch diesen Euphemismus gerne übergangen.

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